Ich sitze hier und versuche mich zu sammeln - es gelingt mir nicht. Eben habe ich meinen eigenen thread vom Anfang an durchgelesen und es schüttelt mich durch... - 46 Wochen Kampf gegen einen verschlagenen, unerbittlichen Feind hat mein SINUS durchgestanden. Nie wurde er schwach, nie verzagte er, er behielt seine Würde und Güte, und was auch geschah, er hat mich gestützt und aufgerichtet, wenn ich, der ich wusste, wie es enden wird, gestrauchelt bin und verzagen wollte. Wisst Ihr, ich bin ein großer, sportlicher Kerl, studiert usw. - das alles ist nichts gegen die Größe der Persönlichkeit meines Hundes... Meine Stärke hat mich mit SINUS verlassen. Ich irre durchs Haus, suche Spuren und bin komplett neben mir, zu nichts in der Lage.
Aber - ich werde mich um Disziplin bemühen. Ich habe immer meinen Wochenbericht geschrieben und bin es SINUS schuldig, also werde ich ES aufschreiben...und muss es wohl auch für mich machen - und unsere Geschichte abschließen...
Nachdem also am Mittwoch, 5 Tage nach der letzten Chemo mit Doxorubicin die Knoten am Hals wieder zu spüren waren, ahnte ich, dass wir das Ende erreichen. Wir gingen raus, aber seine Laufkondition ging weiter zurück. Ich gab ihm einen Kalbsknochen ("so lange er noch kann"...es wurde auch sein letzter.., in 15 Minuten war der alle). Noch war ich der Hoffnung, dass wir Ostern erreichen werden. Am Freitag hatte sich der Zustand weiter verschlimmert, die Knoten am Hals waren weiter gewachsen und in der Nacht merkte ich, dass die Atmung sich etwas verschlechterte. Sein Appetit war gut, ich macht ihm sein geliebtes Hühnchen, aber seine Schwäche war nicht zu übersehen. Es kam in Wellen, eine halbe Stunde ging’s schlecht, da sah ich in seinen Augen Müdigkeit, dann wurde es wieder für Stunden besser und er sah mich an wie immer - stark und lieb. Die ganze Zeit war er anhänglich und behutsam, wir waren viel zusammen und er genoss die vielen Streicheleinheiten. Am Samstag telefonierte ich mit meinem TA und teilte mit, dass SINUS die Zeit bis zur geplanten Chemo am Dienstag (also vorgestern) wohl nicht schaffen wird. Wir überlegten, ob wir am Samstag einleiten. Wir analysierten die Situation und ich entschied mich dagegen. Ich sah und empfinde es auch jetzt so: SINUS wollte nicht gehen, aber sein Körper konnte nicht mehr und wäre, auch wenn das Doxo noch eine Wirkung gezeigt hätte, wohl zusammen gebrochen. Am Samstag waren wir bei herrlichem Wetter im Garten und er suchte alle seine Lieblingsplätze auf, lag immer in der Sonne und wenn wir nicht zusammen saßen, sah er mir bei der Gartenarbeit zu.
Wir gingen eine kleine Runde und ich sah, dass es ihn anstrengte sich zu lösen. Ich rief wieder meinen TA an und bereitete ihn auf seinen kommenden Einsatz vor. Wir hatten vorab schon besprochen, dass er zu uns kommen wird - zu jeder Zeit, wenn es sein muss.
Am Abend machten wir es uns auf dem Sofa gemütlich und SINUS Zustand verschlimmerte sich gsd nicht weiter. Wir gingen schlafen (er ging noch die steile Treppe hoch) und er durfte das erste und einzige Mal bei mir im Bett schlafen. Er war glücklich und ich genauso und er genoss es sehr, obwohl ihm dort das Atmen schwerer fiel, als auf seiner Decke. Es war sehr gemütlich und wir lagen Sonntag früh ziemlich lange im Bett rum. Am Sonntag war ein herrlicher Sonnentag, wir waren draußen unsere kleine Runde laufen und das fiel SINUS schwer. Dann waren wir im Garten und ich sah wie die Krankheit in ihm wütete. Mittags machte ich ihm wieder sein Hühnchen und er kam fressen. Plötzlich, während er fraß, verlor er das Gleichgewicht und strauchelte, fiel aber nicht, die Vorderbeine knicken ein. Sofort legte er sich hin. Nie werde ich vergessen, wie verdutzt und ungläubig er mich ansah... Er verstand nicht, dass sein Körper drohte den Dient zu versagen. Natürlich bin ich sofort zu ihm hin um ihn zu trösten und zu beruhigen. Er sah mich an und leckte mir lange die rechte Hand ab. Das war der Punkt, an dem meine Selbstbeherrschung zusammenbrach. Ich holte seine Bürste und striegelte ihn, sein Fell glänzte so schön in der Sonne, mir liefen die Tränen als mir bewusst wurde: das heute - dieser Sonntag - ist unser letzter Tag. Um 15.22 Uhr rief ich den TA an und bestellte ihn zu 18.00 Uhr. Ich holte ein Laken und wir setzten uns in die Nachmittagssonne auf die Wiese und hielten uns fest. In meinem Kopf tickte eine Uhr, ich getraute mich nicht auf meine Armbanduhr zu sehen. Gegen 16.45 Uhr animierte ich ihn Wasser zu lassen, er wollte nicht, sondern fraß nur ein bisschen Gras, dabei stand er auf seinen Beinen und hielt sich tapfer aufrecht. Wir gingen auf unsere geliebte Haustreppe, wo wir so manche halbe Nacht gesessen und in die Sterne gesehen hatten. Wir setzen uns auf seine Decke die da immer (noch) liegt und saßen in der letzten Sonne, die ihn wärmte. Ich streichelte und herzte ihn, er nahm sich meine Taschentücher (die ich brauchte) und bewachte sie, legt sie sich unter seine Kehle und machte ein letztes Mal seine Schalkaugen und sein Spaßgesicht. Die Zeit rannte und ich überlegte, ob ich den Termin verschiebe...
Gegen 17.45 Uhr war die Sonne hinter den Bäumen verschwunden, es wurde kühl und ich animierte SINUS ins Haus zu gehen. Er lief tapfer in die Stube und legt sich auf seine Kuscheldecke in der Mitte des Zimmers. Ich holte seine Lieblingskuscheltiere, sein Laken und sein großes Handtuch, wir lagen auf dem Boden und während wir uns hielten sah ich ab und an zum Tor. Um 18.00 Uhr sah ich den dunklen Wagen vom TA. Ich öffnete und er kam mir mit seinem Koffer wie ein Todesengel vor. Wir gingen ins Zimmer und SINUS sprang auf und freute sich, sein kleiner Quirl schwänzelte (er konnte den TA immer sehr gut leiden). Wir brachten SINUS in Position und während sich der TA an seinem Hinterlauf zu schaffen machte, legte ich mich vor SINUS und hielt seinen Kopf und sprach mit ihm. Kopf an Kopf lagen wir zusammen und sahen uns in die Augen, vielleicht 5 Zentimeter voneinander entfernt und ich sprach mit ihm. Im Augenwinkel sah ich wie die große Spritze mit dieser Flüssigkeit aus dem braunen Glas aufgezogen wurde, während ich mit ihm sprach und ihn streichelte und hielt. Einmal sah ich kurz Angst in seinen Augen und er drehte sich kurz nach hinten, gerade wurde die Braunühle eingeschoben. Ich lag vor ihm auf dem Boden hielt seinen Kopf in meinen Händen, wuschelte an seinen Ohren sprach mit ihm und wir sahen uns an. Er leckte meine linke Hand, seine warme, rauhe Zunge fuhr immer wieder durch meine Finger, aber diesmal musste ich nicht lachen, weil es kitzelte. Wir sahen uns in die Augen und ich sah ganz deutlich wie er sagte: " es ist in Ordnung, es ist ok...", während er meine Hand liebkoste. Während seine Zunge an meiner Handfläche leckte, ich mit ihm sprach, mitten in der Bewegung kam dieses unmerkliche Zucken als wenn er nach hinten sehen wollte, gleichzeitig blieb sein Blick stehen im Nichts nach Geradeaus, der Kopf sank in meine linke Hand und sein Körper glitt langsam in meinen Händen auf die Seite zu Boden. Alles geschah im Bruchteil einer Sekunde. Ich beugte mich über sein Gesicht um nach der Atmung zu hören - nichts zu spüren - ich hörte irgendwie, wie der Arzt sagte, dass man jetzt noch inkubieren könnte und bereits die zweite Spritze ansetzte. Während ich noch mein Gesicht an seinem Hals hatte, sein Fell an meinem Gesicht, hörte ich den leisen Satz: er hat's geschafft. Ich versuchte an seiner Brust sein Herz zu hören und bemerkte wie der Arzt das Stethoskop gerade von seiner Brust wegnahm. Es war 18.12. Uhr...
Ich stammelte irgendwie danke und ob er auch tot sei und nichts gemerkt habe, was mir zugesichert wurde. Irgendwann war der Arzt weg. An die nächsten zwei Stunden habe ich keine Erinnerung...
Gegen 20.45 Uhr war es dunkel und still im Zimmer, ich hatte SINUS mit seinem Handtuch ein bisschen zugedeckt und ging raus in den Schuppen die Fackeln zu holen und anzuzünden und am Hügel aufzustellen. SINUS war noch ganz warm und ich brachte ihn auf seiner Decke raus auf den Hügel zwischen die Fackeln. Der Vollmond ging gerade auf, es wurde kalt und es sah alles sehr schön und würdevoll aus. Das war mir wichtig, denn Würde hatte mein Freund immer in seinem Leben bewahrt. Ich holte Spaten und Schaufel und fing an zu graben. Der Platz stand immer schon fest, neben dem Hügel gleich neben dem Flieder, ein schöner sonniger Platz von dem er immer zur Küche gesehen und gehorcht hatte, ob ich schon mit seinem Napf rumklappere. Der Boden war hart und voller Kiesel und Steine, ich schwitzte und holte mir einen Wein und machte manchmal Pause um nach ihm zu sehen, ob er auch gut liegt und mit ihm zu sprechen oder setzte mich neben ihn. Es war kalt und frisch, der Erdgeruch mischte sich mit dem Feuergeruch und ich genoss die schwere Arbeit. Ich wollte ein großes Grab, denn mein Rottweiler brauchte immer viel Platz zum Schlafen und er sollte bequem liegen. Irgendwann stand ich fast bis zur Brust in der Grube und der Sandhaufen war riesig. Ich maß nach, 1.40 m tief das ist gut, da wird er gut liegen. Es war 23.30 Uhr. Der Vollmond stand hoch am Himmel und ich war froh, dass ich so einsam wohne und wir beide ganz allein waren. Ich holte sein Laken und schob es vorsichtig unter ihn auf seiner Decke. Seine Füße wurden kalt aber sein Bauch und seine Brust waren noch ganz warm und ich freute mich, dass jetzt endlich diese Krebszellen verrecken werden und ihn in Ruhe lassen müssen. Vorsichtig brachte ich ihn zur Grube, stieg rein und legte ihn vorsichtig ab. Perfekt, viel Platz, auf seiner Decke kann er bequem liegen und ich kann sogar noch daneben stehen. Neben ihn, zwischen seine Pfoten kommen seine Lieblingskuscheltiere, der Eisbär und die Robbe und mein alter Latschen, der schon völlig vom Zerren kaputt ist und den er immer so gern bewacht hat. Vorsichtig lege ich den unter seine Nase. Ganz vorsichtig schlage ich ihn ein in das Tuch, die Ohren nicht knicken und keine Erde auf sein Fell. Das letzte Mal sehe und berühre ich sein schönes Gesicht und sehe seine Augen, bevor ich das Tuch behutsam darüber schlage. Ich stehe am Grab, der Mond steht hell im Zenit, die Sterne funkeln, es ist kalt und weiß nicht, wie das mit dem Zuschaufeln werden soll. Ich gehe zum Kaminholzstapel, da habe ich im Herbst immer das Eichenlaub zu einem Haufen geharkt, ein absoluter Lieblinsplatz von SINUS, Südseite, windgeschützt, da hat er sich immer in das Laub gekuschelt, die Nase ins Laub gesteckt. Ich fülle den Korb mit dem trockenen Laub und lasse es mit der Hand auf ihn hinab rieseln bis kein weißes Tuch mehr zu sehen ist. Nun kann ich beginnen, vorsichtig am Fußende bis hin zur letzten ganz behutsamen Schaufel Erde über seinen Kopf. Um Zwei Uhr bin ich fertig, eine Fackel brennt langsam runter und der Mond steht im Südwesten und taucht den Hügel in seitliches Licht und ich stehe da und nehme Abschied.
Am nächsten Tag fahre ich früh in die Gärtnerei um verschiedene Blumen zu holen und in der Sonne die Grabstelle zu gestalten. Jeden Abend leuchten nun zwei Lichter dort für uns zwei...
Ich bedanke mich im Namen meines Hundes bei Euch allen für Euer Mitgefühl, Eure Hilfe und Eure Anteilnahme.
Ich befinde mich momentan mental außerhalb mir bekannter Umlaufbahnen und beende mit diesem Beitrag meinen thread über meinen besten Freund SINUS.
JKA