Die Bunt- oder Dermacentorzecke überträgt einen für das Q-Fieber verantwortlichen Erreger auf Schafe und über diese auf den Menschen.
Abenteuer Wissen mit Wolf von Lojewski
Infektionsgefahr: Buntzecken
Wenn Tiere Krankheiten auf den Menschen übertragen
Im Mai 2003 versetzt eine Epidemie den westfälischen Landkreis Soest in Unruhe: 299 Menschen erkranken am so genannten Q-Fieber. Die ersten Fälle kommen mit schwerer Lungenentzündung in die Krankenhäuser. Anfangs ist nicht klar, um welche Krankheit es sich handelt. Die Spur führt von Schafen zu Buntzecken.
Sendung vom 25.05.2005
In Soest ist man beunruhigt. Über hundert Menschen kommen in die Krankenhäuser. Viele mit hohem Fieber, Schweißausbrüchen, einige mit schwerer Lungenentzündung. Zunächst vermutet man, dass Legionellen in einem Wasserbecken bei einer Festveranstaltung Schuld an der massenhaften Erkrankung sind. Doch die weiteren Untersuchungen zeigen: viele der Schwerstkranken waren zwei Wochen zuvor auf einem Bauernmarkt im benachbarten Bad Sassendorf gewesen.
Arzt betrachtet Röntgenbilder einer Lunge
Diagnose: Q-Fieber
Ende Mai 2003 wird das Gesundheitsamt Soest von den örtlichen Kliniken über eine Häufung von mehr als 20 merkwürdigen Formen von Lungenentzündung (Pneumonie) informiert. Sofort werden alle Erkrankten umfassend schriftlich und mündlich befragt. Gab es Auslandsreisen, Kontakt zu Haustieren, Besuch von Großveranstaltungen? Für die schwerkranken Patienten eine Tortur.
Die Auswertung der Patientenbefragung führt zu einer Hypothese: Bei der Häufung der Fälle könnte es sich um Q-Fieber handeln und die Infektionen könnten in Zusammenhang mit der Geburt von Zwillingslämmern auf einem Bauernmarkt in Bad Sassendorf unweit von Soest stehen. Die Schafe waren die Attraktion auf dem Markt. Und die Experten wissen, besonders mit der Nachgeburt gelangen oft Keime in die Umwelt - auch "Coxiella burnetii", der Erreger des Q-Fiebers. Rachenabstriche der Patienten bringen den endgültigen Beweis: Im Labor kann das Bakterium nachgewiesen werden.
Q-Fieber
Das Q-Fieber (von engl. "query" für "fraglich"), auch Queensland-Fieber, wurde 1935 erstmals bei Schlachthausarbeitern im australischen Queensland beschrieben. Es wird durch das Bakterium Coxiella burnetii ausgelöst, welches als so genannte Dauerform (Sporen) z.B. in Staub, auf Heu oder auf Wolle jahrelang überleben und infektiös bleiben kann. In Deutschland sind vor allem Schafe Träger des Erregers. Die Übertragung erfolgt meist durch Inhalation kontaminierten Staubs. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung kommt nur selten vor. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis fünf Wochen.
Q-Fieber tritt akut mit Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und schwerem Krankheitsgefühl auf. Im weiteren Verlauf können Lungen- oder Leberentzündung auftreten. Schwangere haben ein hohes Risiko für Fehlgeburten. Selten sind Entzündungen des Knochenmarks und der Venen sowie Gehirn- und Gehirnhautentzündungen. In einzelnen Fällen entwickelt sich ein chronisches Q-Fieber mit Entzündung der Herzinnenräume (Endokarditis) und des Herzbeutels (Perikarditis).
Voll gesogene Zecke und Zeckenkot
Zeckenkot im Schaf-Fell
Experten prüfen nun, wie sich so viele Menschen angesteckt haben können. Der Erreger Coxiella burnetii gelangt durch den Stich von Buntzecken in Schafe. Das allein genügt aber nicht, das Bakterium vom Tier auf den Menschen zu übertragen. Prof. Dr. Dr. Peter Kimmig vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg weiß, nicht nur die Zecken selbst sind bedrohlich, sondern auch ihre Hinterlassenschaft im Fell.
Prof. Dr. Dr. Peter Kimmig: "Was man hier sieht, ist ein Schafvlies und diese schwarzen Brösel, das ist Zeckenkot. Und dieser kann, wenn er austrocknet, extrem gefährlich sein. Denn wenn er diese Q-Fieber-Erreger enthält, dann können die ausgetrockneten Erreger mit dem Wind über Hunderte von Metern transportiert werden und zur Infektion des Menschen führen."
Laboruntersuchung einer Zecke im Schafvlies
Tatsächlich konnte nachgewiesen werden, dass sich die meisten Erkrankten in Soest in einer Schneise aufgehalten haben, die in der Windrichtung vom Schafsgatter lag. Dort haben sie den Erreger eingeatmet, der beim Lammen oder durch Zeckenkot in die Umwelt gelangte. So war noch nicht einmal direkter Kontakt mit den Schafen nötig. Und erst recht nicht mit den Buntzecken selbst.
Buntzecken auf dem Vormarsch
Bisher sind Dermacentorzecken oder Buntzecken vor allem im Süden Deutschlands verbreitet, doch mit der Klimaerwärmung wandern sie immer weiter in Richtung Norden. Die Parasiten übertragen nicht nur den für das Q-Fieber verantwortlichen Erreger Coxiella burnetii, sondern auch andere Krankheiten, so z.B. eine gefährliche Hundekrankheit: Babesiose, die so genannte Hundemalaria.
Buntzecke (Dermacentorzecke)
Die Vereinigung ParasitusEx in Bonn beschäftigt sich vor allem mit Krankheiten, die von Parasiten übertragen werden. Vor allem Hundebesitzer kämpfen mit den Blutsaugern. Sie werden aufgefordert, die Zecken, die sie an ihren Hunden finden, sicher zu verpacken und nach Bonn zu schicken. So konnte mittlerweile nachgewiesen werden, dass die Verbreitung von Buntzecken im Norden immer größer wird.
Dr. Torsten Naucke im Feldversuch: ein benutztes Handtuch soll Zecken anlocken.
Gefahr für den Menschen?
Der Parasitologe Professor Kimmig untersucht in Süddeutschland die Ansteckungswege des Q-Fiebers und daher vor allem Dermacentorzecken, die er bei Schafen gefunden hat. Analysen zeigen, dass sie alle den Erreger des Q-Fiebers in sich tragen.
Auch Dr. Torsten Naucke von ParasitusEx sucht nach Beweisen, ob Buntzecken wirklich gefährlich für den Menschen sind. Ein kleiner Feldversuch mit einem eigens benutzten Handtuch zeigt, dass nicht nur die üblichen Holzböcke (Ixodes ricinus) mit ihren empfindlichen Antennen über große Entfernungen auf den menschlichen Schweißgeruch reagieren, sondern auch eine Buntzecke.
Faktische Belege, dass die Buntzecke den Erreger direkt auf Menschen überträgt, liegen bisher nicht vor. Doch die Behörden sind wachsam. Wenigstens sollen die gesetzlichen Auflagen im Umgang mit Schafen verschärft werden - so zumindest die Empfehlung des Robert Koch Instituts in Berlin.
von Anne Hartmann